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Klimaschutz und Landwirtschaft

Klimawandel und Erderwärmung zählen zu den weltweit größten Herausforderungen der Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten.  Besonders die Landwirtschaft hat aufgrund ihrer Dreifachrolle (Betroffene, Emittent, Teil der Lösung) ein hohes Eigeninteresse dem Klimawandel entgegenzuwirken: Die Landwirtschaft ist aufgrund der Zunahme an Extremwetterereignissen, wie z.B. Dürreperioden, Starkregen oder Gewitterstürmen und den daraus resultierenden Ernteverlusten direkt vom Klimawandel betroffen. Auf der anderen Seite ist sie vorwiegend durch die Emission von Methan und Lachgas für die Entstehung von Treibhausgasen mit verantwortlich. Die dritte Rolle, und damit ein wichtiger Aspekt im Klimaschutz, sind die weitreichenden Lösungen, die die Landwirtschaft zur Einhaltung der Klimaziele bieten kann und bereits bietet.

Rechtliche Grundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen in Sachen Klimaschutz sind mittlerweile auf allen Ebenen zu finden. International hat das Pariser Klimaabkommen von 2019 für Aufsehen gesorgt, denn in dem Abkommen haben sich 195 Staaten dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu halten. Auf EU-Ebene gibt es das am 11.12.2019 vorgestellte Konzept des „European Green Deal“ (Green Deal) der Europäischen Kommission, mit dem das langfristige Ziel einer klimaneutralen Europäischen Union (EU) bis zum Jahr 2050 verfolgt wird. Als Zwischenziel sollen bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) im Vergleich zu 1990 um bis zu 55 % reduziert werden. Dieses Ziel wurde auf EU-Ebene in Rechtstexte gegossen. Auf Bundesebene wurden die Ziele durch die Novellierung des Bundes-Klimaschutzgesetz 2021 sogar noch höher gesetzt. Bis 2030 sollen mindestens 65% THG gegenüber 1990 eingespart werden. In Schleswig-Holstein wurden erst kürzlich die Bundesziele zur THG-Reduktion in das Energiewende- und Klimaschutzgesetz Schleswig-Holstein übernommen. Mit den gesetzlichen Grundlagen sind somit ambitionierten Ziele für eine THG-Einsparung gesetzt. Durch die zulässigen Emissionsmengen ergibt sich für den Sektor Landwirtschaft in Deutschland ein Minderungsziel der THG-Emissionen in den kommenden Jahren (2022 bis 2030) um rund 16 %. In den vergangenen Jahren hat die Landwirtschaft ihre THG-Emissionen bereits um rund 21 % gegenüber 1990 reduziert.   

Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft

Sowohl der Pflanzenbau als auch die Tierhaltung müssen sich künftig an veränderte Klimabedingungen und deren Folgen anpassen. Der Klimawandel führt in der Land- und Forstwirtschaft schon jetzt zu Veränderungen in der Produktion. Neben einer Zunahme von Extremwetterereignissen wie Starkregen, Frühjahrstrockenheit, Hitzeperioden und Dürren ist dabei die Ausbreitung invasiver (gebietsfremde Art, die heimische Arten verdrängt) Arten sowie neuer Pflanzen- und Tierkrankheiten oder der Anstieg der Schäden im Wald zu nennen. Dies kann zu schlechteren Erträgen, bis hin zu totalen Ernteausfällen, und bei Tieren insbesondere durch anhaltende Hitze zu Stress führen. Staatlich unterstützte Versicherungslösungen können ein Weg sein, die Klimafolgen abzumildern. Langfristig ist es wichtig, die Produktion und die Toleranz gegenüber den Folgen des Klimawandels anzupassen. Mögliche landwirtschaftliche Anpassungsstrategien sind hierbei:

  •        Risiko streuen durch Anbaudiversifizierung
  •        Züchtung trocken-, hitzetoleranter und widerstandfähiger Pflanzen
  •        Wasserhaltefähigkeit der Böden steigern (u.a. durch konservierende Bodenbearbeitung)
  •        Effiziente Be- und Entwässerungstechnik
  •        Klimagerechte Stallbauten

Landwirtschaft als Verursacher von Treibhausgasen

Im Jahr 2020 war die deutsche Landwirtschaft entsprechend einer ersten Schätzung des Umweltbundesamts insgesamt für 60,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2)-Äquivalente verantwortlich. Das entspricht aber dennoch „nur“ 8,2 % der gesamten ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen des Jahres in Deutschland. Den Hauptanteil an THG-Emissionen innerhalb des Landwirtschaftssektors machen die Methan-Emissionen mit 50,1 % im Schätzjahr 2020 aus. Sie entstehen bei Verdauungsprozessen, aus der Behandlung von Wirtschaftsdünger sowie durch Lagerungsprozesse von Gärresten aus nachwachsenden Rohstoffen (NaWaRo) der Biogasanlagen. Lachgas-Emissionen kommen anteilig zu 45,6 % vor und entstehen hauptsächlich bei der Ausbringung von mineralischen und organischen Düngern auf landwirtschaftlichen Böden, beim Wirtschaftsdüngermanagement sowie aus Lagerungsprozessen von Gärresten. Nur einen kleinen Anteil (4,4 %) machen die Kohlendioxid-Emissionen aus der Kalkung, der Anwendung als Mineraldünger in Form von Harnstoff sowie CO2 aus anderen kohlenstoffhaltigen Düngern aus. Die CO2-Emissionen entsprechen hier einem Anteil von knapp einem halben Prozent der Gesamt-THG-Emissionen (ohne ⁠LULUCF) und sind daher eher als vernachlässigbar anzusehen. Landwirtschaft hat einen unmittelbaren Auftrag, Lebensmittel zu produzieren. Diese gesellschaftliche Notwendigkeit wird nicht mit Null-THG-Emissionen erreichbar sein, weshalb es notwendig ist, unvermeidbare Restemissionen zu akzeptieren aber auch vermeidbare THG-Emissionen zu reduzieren. Zu starke Einschränkungen hinsichtlich der THG-Reduktion führen zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland, wo dann zu z.T. deutlich geringeren Klimastandards produziert würde. Die THG-Emissionen konnten seit 1990 bereits um 21 Prozent reduziert werden. 

Im Bereich der Vermeidungsleistung durch nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien hat die Landwirtschaft ihre Klimaleistungen deutlich ausgedehnt und konnte so anderen Sektoren bei der Erreichung ihrer Klimaziele weiterhelfen. In beiden Bereichen ist die Landwirtschaft auf dem richtigen Weg, aber noch nicht am Ziel. Nur mit einer größeren politischen und gesellschaftlichen Unterstützung werden die gesetzten Ziele erreichbar sein.

Leistungen der Landwirtschaft zum Klimaschutz

 

Einsparung von THG

Durch bodennahe Ausbringungstechniken bei flüssigen Wirtschaftsdüngern können Gerüche, Emissionen und Nährstoffverluste minimiert werden. Wurden im Jahr 2010 noch fast 70 % der flüssigen Wirtschaftsdünger mittels Breitverteiler ausgebracht, waren es im Jahr 2020 nur noch 35 %. Fast die Hälfte aller Lager für flüssige Wirtschaftsdünger sind mit einer festen Abdeckung ausgestattet. Auch ist ein deutlicher Trend erkennbar, dass immer mehr Gülle in Biogasanlagen vergoren wird und somit die austretenden Klimagase aufgefangen und zur Energieerzeugung genutzt werden.  

Festlegung von Kohlenstoff im Boden

Als Humus (lateinisch humus für Erdboden) bezeichnet man die gesamte abgestorbene organische Substanz des Bodens. Er besteht überwiegend aus Pflanzenresten und ihren Umsetzungsprodukten sowie aus den Resten, Ausscheidungen und Umwandlungsprodukten von Bodentieren und Mikroorganismen. Humus besteht zu rund 58 % aus Kohlenstoff, welcher zuvor durch Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen worden ist. Somit bietet die Landwirtschaft erhebliches Potenzial, durch den dauerhaften Entzug von Kohlenstoff aus der Atmosphäre, atmosphärisches CO2 im Boden zu binden. Die Bodenzustandserhebung hat gezeigt, dass der CO2-Speicher in lw. genutzten Böden höher ist als bisher angenommen. So werden in landwirtschaftlich genutzten Böden rund 2,4 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Damit bevorratet der lw. Boden doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Bäume in den Wäldern Deutschlands zusammen.

Langfristige Humusspeicherung im Boden kann vor allem über einen zusätzlichen Eintrag von organischer Substanz erreicht werden. Hierfür eignen sich insbesondere beim Acker Erntereste, Wirtschaftsdünger aber auch Zwischenfrüchte. Der Zwischenfruchtanbau hat sich in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt und wird weiterhin zunehmen. Auch die Ersetzung von mineralischem Dünger durch Wirtschaftsdünger kann zu einer Steigerung des Humusgehalts im Boden führen und werden von der „Allianz für den Gewässerschutz“ nicht nur in Sachen Klimaschutz, sondern auch für eine bessere Nährstoffverwertung und -verteilung unterstützt und vorangetrieben. Die Steigerung des Humusgehalts ist nicht nur unter Klimaschutzaspekten sinnvoll, mit einem gesteigerten Humusgehalt ist auch ein positiver Einfluss auf Bodenfruchtbarkeit festzustellen. So erhöht er u.a. die Wasserspeicherung des Bodens und führt zu einer günstigeren Bodenstruktur. 

 

"Wichtig für den Klimaschutz sind daher beson­ders langfristig stabile Humusvorräte."

(Zitat aus der Bodenzustandserhebung, Thünen Report 65)

 

Landwirt als Klimawirt

Ein weiterer großer Beitrag der Landwirtschaft ist die Erzeugung erneuerbarer Energien. Durch den Betrieb von Biogasanlagen, Windrädern und Solaranlagen auf dem Dach, sowie auf Agrarflächen können signifikante Einsparungen in der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen erreicht werden. Dieses Potential muss von der Politik gefördert werden und der Beitrag aus diesen Methoden zu der Klimabilanz der Landwirtschaft positiv angerechnet werden.

Position Berufsstand

Der Klimawandel betrifft die gesamte Gesellschaft aber auch insbesondere die Landwirtschaft mit ihrer Dreifachrolle. Nicht zuletzt deshalb hat sich der Berufstand schon seit langem mit dem Thema befasst. Im Januar 2018, und somit bevor es seitens des Gesetzgebers verankerte Ziele gab, hat der Deutsche Bauernverband mit der „Klimastrategie 2.0“ ein Strategiepapier zum Klimaschutz veröffentlicht. In dem Strategiepapier werden verschiedene Themenfelder erläutert, aber auch 20 konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, die aus Sicht der Landwirtschaft besonders geeignet sind, die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren und die selbst gesetzten Ziele (30 % THG-Reduktion bis 2030 gegenüber 1990) zu erreichen. Hier sei beispielhaft die Vergärung von Gülle in Biogasanlagen oder die Steigerung der Düngeeffizienz zu nennen. Momentan wird das Strategiepapier überarbeitet und weiterentwickelt. Auch in dem Positionspapier des Bauernverbandes Schleswig-Holstein „Veränderungen gestalten“ hat sich der Berufsstand klar zum Thema Klimaschutz positioniert. Der Wortlaut kann hier nachgelesen werden. Auch im Dialog „Zukunft der Landwirtschaft“ wurde der Themenbereich „Klima - Klimawandel - Klimaanpassung“ in einem breiten Bündnis diskutiert und folgende Ergebnisse festgehalten.

Moorschutz im politischen Fokus

War in den vergangenen Jahren die Kultivierung der Moore eine gesellschaftlich und von der Regierung geförderte Leistung, stehen die politischen Zeichen momentan in eine ganz andere Richtung. Der Moorbodenschutz ist in den politischen Fokus gerückt, da entwässerte Moore durch den Abbau von Humus für ca. 53 Millionen t CO2-äq und damit rund 6,7 % der deutschen THG-Emissionen verantwortlich sind. Der überwiegende Anteil entwässerter Moore in Deutschland wird landwirtschaftlich und als Grünland genutzt. In Schleswig-Holstein machen die humusreichen Böden rund 15 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus und haben somit eine enorme wirtschaftliche Bedeutung für den Berufsstand. Die Bundesregierung hat in der Bund-Länder-Zielvereinbarung Eckpunkte und Ziele für den Moorbodenschutz festgelegt. Auf Landesebene gibt es das Programm Biologischer Klimaschutz (BIK) in dem Ziele für einen ambitionierten Moorschutz gesetzt werden. So sollen bis 2030 durch den Bereich Moorschutz, Neuwaldbildung und Waldumbau und die Umwandlung von Ackerland in Dauergrünland 717.500 t CO2-äq eingespart werden. Es ist zu betonen, dass in allen Strategiepapieren beim Moorschutz die Freiwilligkeit der Teilnehmer im Fokus steht. Nichtsdestotrotz wird sich der Druck auf diese klimarelevanten Flächen erhöhen und es geht langfristig darum, nassere Bewirtschaftungsformen (Wasserstands-Anhebung bei lw. Nutzung) für die Moorböden oder wirtschaftlich tragbare Alternativen auf den Moorböden umzusetzen. In Schleswig-Holstein hat sich der Bauernverband Schleswig-Holstein umfassend mit dem Bereich Moorschutz befasst und sich mit diesem Positionspapier in die politische Diskussion eingebracht.

 

Zielkonflikte

Bei der Betrachtung der Klimaschutzmaßnahmen sind Konflikte unter anderem zu den Zielen Tierwohl, Biodiversität und Naturschutz zu beachten. Nicht realisiert werden können etwa Verbesserungen im Stallmanagement und der Fütterung, wenn Stallmodernisierungen an Genehmigungsbehörden oder dem Baurecht scheitern. In vielen Fällen kann die Senkenleistung landwirtschaftlicher Böden nicht weiter forciert werden, wenn die Zulassungspolitik für Pflanzenschutzmittel dazu führt, dass konservierende Bodenbearbeitungsverfahren und damit der Verzicht auf den Pflug zurückgedrängt werden (Beispiel Glyphosat). Auch werden die geplanten Änderungen bei der Lagerung von Gärresten in landwirtschaftlichen Güllebehältern die gewollte und sinnvolle Vergärung von Gülle in Biogasanlagen verhindern, da eine Rückführung der vergorenen Gülle in die ursprünglichen Güllebehälter durch die höheren Lagerbehälter-Anforderungen unmöglich gemacht wird. Hier ist politische Weitsicht gefordert und nicht nur spezifisch das jeweilige Kernthema im Blick zu halten. Bei diesen Zielkonflikten müssen Politik und Wissenschaft ausgewogene Rahmenbedingungen setzen und für die gesellschaftliche Akzeptanz werben. Dies betrifft auch die Züchtung klimaangepasster Pflanzen und Tiere sowie die Erforschung und Zulassung neuer Züchtungstechnologien und neuer Strategien zur Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen.

 

 

Forderungen des Berufstandes

  • Der Berufsstand fordert eine stärkere Orientierung der Minderungsvorgaben an wissenschaftlichen Erkenntnissen, insbesondere für den Zeitraum nach 2030. Überambitionierte Ziele können zu einer verminderten Lebensmittelproduktion in Deutschland führen, die dann durch Importe, verbunden mit höheren produktbezogenen THG-Emissionen, ausgeglichen werden müssten.  
  • Der Berufsstand fordert daher einen wirksamen Grenzausgleichsmechanismus zur Verhinderung klimaschädlicher Importe von Substitutionsprodukten heimischer Lebensmittel.
  • Die auf EU-Ebene geplante Strategie zur Kohlenstoffsequestrierung mit einem Vorschlag für ein Zertifizierungssystem wird positiv vom Berufsstand begleitet.
  • Des Weiteren wird die Klimawirkung von biogenem Methan in der aktuellen Berichterstattung aus unserer Sicht überbewertet, da sich diese innerhalb von 9-12 Jahren zu CO2 abbaut. Bei biogenem Methan ist dieses CO2 Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufes und daher nicht direkt klimawirksam. Der DBV fordert eine Aussetzung der Berücksichtigung von Methan in den nationalen Inventaren, bis eine Neubewertung erfolgt ist. Für weitere Infos siehe hier.

 


Bauernverband Schleswig-Holstein