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Seit der Ernte 2010 erfolgt bei den Landwirten, die Marktfrüchte (Raps, Weizen Gerste, etc.) anbauen, die Zertifizierung Nachhaltiger Biomasse als Rohstofflieferant für  Biokraftstoffe (Biodiesel, Bioethanol). Auf den landwirtschaftlichen Betrieben wird diese Zertifizierung dokumentationstechnisch durch eine Selbsterklärung der Betriebsleiter umgesetzt. Es erfolgt aber parallel eine Zertifizierung entlang der gesamten Kette vom Acker bis zum Tank (Landhändler, Ölmühle, etc.). 

Im Rahmen der Selbsterklärung verpflichten sich die Landwirte, die Rohstoffe für die Biokraftstoffherstellung nur auf Ackerflächen anzubauen, die bereits zum Stichtag 1.1.2008 nachweislich als Ackerfläche genutzt wurden und sich an die Regelungen aus dem Cross-Compliance Bereich zu halten, die für den Erhalt der EU-Direktzahlungen bindend sind.

Gesetzliche Standards

Die Zertifizierung der Biomasse für den Biokraftstoffbereich basiert auf der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RL 2009/28/EG), die innerhalb Deutschlands seit 2009 durch die sogenannte Biokraftstoffnachhaltigkeitsverordnung umgesetzt wird.

Die EU-Richtlinie verfolgt das Ziel, dass, beginnend mit dem Anbau bis zur letzten Schnittstelle, von dem Biokraftstoffhersteller beim Anbau der Rohstoffe für die Biokraftstoffe und der Verarbeitung der Rohstoffe bestimmte Mindestanforderungen, insbesondere in Bezug auf die nachzuweisende Treibhausgasminderung, erfüllt werden. So muss der am Ende der Produktionskette hergestellte Biokraftstoff eine Triebhausgasminderung im Vergleich zum fossilen Kraftstoff um mindestens 35% und ab Januar 2018 von mindestens 50% nachweisen. Für Neuanlagen zur Herstellung von Biokraftstoffen gilt bereits eine Treibhausgasminderung von 60%. Die Umsetzung hierzulande erfolgt im Rahmen der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung.

Die EU-Richtlinie gibt für die Bemessung der Treibhausgasminderung rohstoff- und biokraftstoffspezifische und damit herstellungsbedingte Treibhausgasstandardwerte vor. Der Abbildung ist zu entnehmen, dass rohstoffabhängig zum Teil erhebliche Optimierungsanstrengungen unternommen werden müssen, um die aktuelle und ab 2018 höhere THG-Minderung zu erfüllen. Dadurch sind vor allem die Biokraftstoffhersteller (Ölmühle, Biodieselproduzent) gezwungen, ihre Verfahren immer weiter in Bezug auf die Emissionseinsparung zu optimieren, um am Markt weiterhin bestehen zu können. Diese Vorgaben gelten im Übrigen weltweit, für alle Rohstoff- bzw. Biokraftstoffproduzenten, wenn der Rohstoff in Deutschland bzw. der EU zu Biokraftstoff verarbeitet werden soll bzw. Biokraftstoffe zur Anrechnung auf Quotenverpflichtungen importiert werden.

Die Berechnung der vorgegebenen Treibhausgasminderung des jeweiligen Biomasserohstoffes kann mittels zweier verschiedener Ansätze durchgeführt werden:

  • Individuelle Berechnung bzw. Zertifizierung des landwirtschaftlichen Betriebes
  • Angabe des gebietsspezifischen NUTS-2-Wertes

Die gebietsspezifischen NUTS-2-Werte liegen in Deutschland deutlich unter den in der EU-Richtlinie vorgegebenen Standardwerten.   Die Mitgliedsstaaten wurden von der Kommission aufgefordert, diese THG-Werte für den Biomasseanbau zu berechnen und mitzuteilen. Diese Werte sind die Grundlage für die THG-Bilanzierung des Rohstoffanbaus und bedeuten eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung, weil hierdurch ein betriebsindividueller Nachweis entfällt. Die Bestätigung erfolgt mit der jährlichen Abgabe der Selbsterklärung an den Agrarhandel. 

Ackerstatus der Flächen

Durch die Förderung der Biokraftstoffproduktion sollen aus umweltpolitischer Sicht aber keine Anreize gesetzt werden, die zu einer Umwidmung von schützenswerten Flächen in Ackerland (Grünlandumbruch) oder Plantagen (Urwaldrodung) führen. Deswegen wurde der 1.1.2008 als Stichtag für die Ackernutzung (oder auch Plantagennutzung) gesetzt. Das bedeutet, dass Biokraftstoffe als nachhaltig im Sinne der Biokraftstoffnachhaltigkeitsverordnung gelten, wenn die hierfür benötigten Rohstoffe nachweislich von Flächen stammten, die am 1.1.2008 bereits Ackerland waren. Dies gilt also auch für die Zertifizierung der Palmölplantagen in Übersee.

In der Selbsterklärung ist folgender Satz enthalten:

"Die Biomasse stammt von Ackerflächen, die bereits vor dem 1.1.2008 Ackerland waren. Sie stammt ferner nicht von schützenswerten Flächen (Art. 17 der Richtlinie 2009/28/EG bzw. §§ 4-6 der Nachhaltigkeitsverordnung), die nach dem 1.1.2008 in Ackerland umgewandelt worden sind."

Im Rahmen einer Überprüfung der Selbsterklärung müssen die Landwirte den Ackerstatus ihrer Flächen zum 01.01.2008 für die Auditierer des Zertifizierungsunternehmens nachweisen. Diese Nachweise erfolgen im Regelfall über die Nutzungsnachweise aus den sogenannten Sammelanträgen.

  • Deswegen sollten die Betriebe die Nutzungsnachweise aus den Sammelanträgen für das Kalenderjahr 2008 auf jeden Fall weiterhin vorhalten.
  • Für den Fall, dass auf den Flächen im Kalenderjahr 2008 Sommerungen wie beispielsweise Zuckerrüben oder Mais angebaut worden sind, wäre es auch empfehlenswert, zusätzlich den Nutzungsnachweis aus dem Kalenderjahr 2007 weiterhin vorzuhalten.

Dieser Statusnachweis sollte für alle Ackerflächen, die in der Selbsterklärung angegeben worden sind, durch die Betriebe durchgeführt werden können.

Das bedeutet aber gleichzeitig auch, dass für Flächen, die nach dem 1.1.2008 durch Pacht oder Kauf in Nutzung genommen worden sind, dieser Nachweis ebenfalls erbracht werden kann.

Flächen, die am 1.1.2008 Dauergrünlandstatus hatten, sind im Sinne dieses Verfahrens als nicht nachhaltig anzusehen. Dies gilt ebenfalls für Flächen die im Rahmen eines genehmigten Dauergrünlandtauschverfahrens umgebrochen worden sind. Diese Flächen sollten nach Rücksprache mit den Handelspartnern im Rahmen der Selbsterklärung entnommen werden.

Zum Thema "Grünlandumbruch" hat REDcert einige zentrale Punkte in den "Fragen und Antworten zum Grünlandumbruch" zusammengefasst (Stand 2013)

Zertifizierung und Umsetzung

Die Zertifizierung (Auditierung) obliegt von der EU-Kommission zugelassenen Zertifizierungssystemen. Die BLE hatte aufgrund der Eilbedürftigkeit im Rahmen der nationalen Umsetzung 2010 das von den landwirtschaftlichen Verbänden getragene (Gesellschafter sind u.a. DBV, UFOP, DRV, BVA) Zertifizierungssystem REDcert zugelassen. Die Zertifizierungskriterien in der sog. Check-Liste auf der Stufe „Anbau“ entsprechen den ordnungsrechtlichen Anforderungen gemäß Cross-Compliance. Für den Landwirt sind im Falle einer Zertifizierung so gesehen keine gesonderten Prüfkriterien zu beachten. Zertifiziert wird nicht jeder landwirtschaftlicher Betrieb, sondern eine verhältnismäßig kleine Stichprobe. Die Kosten übernehmen die Ersterfasser (Agrarhandel). Diese Zertifizierung ist Bestandteil der Auditierung des Ersterfassers – die Lieferantenzertifizierung ist ein Element der Ersterfasser-auditierung. Einer jährlich wiederkehrenden  Zertifizierung nach der Verordnung unterliegen nur die  Rohstoff erfassenden Betriebe bzw. Standorte (im Regelfall Landhändler, die den Rohstoff weiterveräußern und nicht nur zwischenlagern), die Ölmühlen und die Biokraftstoffhersteller. 

Falls sich mehrere Landwirte im Rahmen einer Betriebsgemeinschaft zusammenschließen und ihre Produkte dann gemeinsam über eine Gesellschaft vermarkten, fungiert diese Gesellschaft dann als  sogenannter Ersterfasser und wird zertifizierungspflichtig (1x jährlich) wie oben beschrieben. In diesem Fall muss die Gesellschaft sich von ihren Rohstofflieferanten eine Selbsterklärung geben lassen und eine Stichprobe zertifiziert werden.

Im Merkblatt der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) finden Sie weitere Informationen zur "Umsetzung für landwirtschaftliche Betriebe" (Stand Juli 2010).

Erweiterung der Zertifizierung auf den Lebensmittelbereich

Das Zertifizierungsunternehmen REDcert hat das neue System REDcert2 eingeführt. Hierbei handelt es sich um eine erweiterte Zertifizierung für Biomasse im Lebensmittelsektor, die unter anderem auf einer Erweiterung der Zertifizierung aus der bisherigen Selbsterklärung zur Nachhaltigkeit aus dem Biokraftstoffbereich basiert.

Um die nachhaltige Produktion von landwirtschaftlichen Rohstoffen zur Verwendung in der Lebensmittelindustrie mit Hilfe weltweit einheitlicher Kriterien im Gegensatz zu jeweils firmeneigenen Nachhaltigkeitsanforderungen zu dokumentieren, gründeten internationale Lebensmittelhersteller (Nestle, Danone und Unilever) im Jahr 2002 die Plattform „Sustainable Agriculture Initiative“ (SAI). SAI hat mittlerweile über 70 Mitglieder. Darunter sind seit 2015 auch die deutschen Unternehmen Nordzucker und Südzucker.

Da sich die Nachfragen nach einer Nachhaltigkeitsdokumentation im Lebens-mittelsektor auch von Verarbeitungsunternehmen mehrten, prüfte die REDcert GmbH auf der Basis der vorhandenen Biokraftstoffzertifizierung eine Erweiterung der Nachhaltigkeitszertifizierung für den Lebensmittelsektor auf Grundlage des SAI-Kriterienkatalogs. Die erste Priorität galt der Vereinfachung für die umsetzenden Betriebe in der Kette. Deswegen sollte ein System, basierend auf der Selbsterklärung, für Cross-Compliance-Betriebe im Rahmen der Biokraftstoffzertifizierung entwickelt werden.

Die neue Zertifizierung stützt sich auf die sogenannten SAI-Kriterien. Der Kriterienkatalog, auf Basis dessen die SAI-Bewertung erfolgt, bezieht sich auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie und Soziales). Innerhalb der REDcert2-Zertifizierung besteht für die Landhändler (Ersterfasser) die Möglichkeit, den Bronze-, den Silber- oder den Goldstandard umsetzen.

Umsetzung auf Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe

Um die erweiterte Zertifizierung für den Lebensmittelsektor auf den landw. Betrieben umzusetzen, wird die vorhandene Selbsterklärung lediglich um eine Frage Nr. 7 erweitert. Die Landwirte sind aber keinesfalls verpflichtet, an diesem Verfahren teilzunehmen. Für die Exportware wird das vorläufig auch keine Rolle spielen.

Bei der Überprüfung der landw. Betriebe, die die Frage 7 mit unterschrieben haben, wird in Abhängigkeit des Zertifizierungsstandards ein deutlich intensiveres Audit durchgeführt werden. Dies hängt unter anderem damit zusammen, welcher Zertifizierungsstandard (Bronze, Silber oder Gold) genau geprüft werden soll. Die intensiveren Audits werden auf alle Fälle im Rahmen des Goldstandards durchgeführt werden.

In der Broschüre "Häufig gestellte Fragen zum REDcert2-System" sind unter Punkt 3.2. 18 zusätzliche Fragen aufgeführt, die die Betriebsleiter dem Auditor im Rahmen der Stichprobenkontrolle für den Goldstandard auf jeden Fall beantworten müssen. Dabei geht es z.B. um folgenden Punkte:

  • Fruchtfolge
  • Finanzen
  • Vermarktung
  • Pachtverträge
  • Aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
Bauernverband Schleswig-Holstein